Stagnation der liechtensteinischen Güterexporte: Bestandsaufnahme und Ursachensuche
Die letzten Jahre haben vor Augen geführt, dass der globale Handel Risiken ausgesetzt ist. Beispiele sind der schon länger währende «Handelskrieg» zwischen den USA und China, die Corona-Pandemie, Lieferkettenprobleme, der Ukraine-Krieg oder die Angriffe von Huthi-Milizen auf Handelsschiffe. In der öffentlichen Debatte wird häufig gefordert, dass sich Lieferketten diversifizieren und näher an den Produktions- oder Konsumstandort rücken sollen, wodurch der Globalisierungsprozess teilweise in Frage gestellt wird. Auch werden die Stimmen für Protektionismus, aktivere Industriepolitik und Autarkie bei strategisch wichtigen Rohstoffen und Technologien lauter. Tatsächlich lässt sich jedoch bereits seit der Finanzkrise 2008/09 eine Verlangsamung beziehungsweise Stagnation des Globalisierungsprozesses identifizieren.
Gleichzeitig ist schon seit etwa fünfzehn Jahren nur noch ein sehr schwaches Wachstum der Güterexporte Liechtensteins beobachtbar: Die Güterexporte Liechtensteins entwickelten sich während Jahrzehnten sehr dynamisch, synchron mit dem internationalen Aussenhandel und positiver als das Welt-BIP. Seit der Finanzkrise 2008/09 hat das Wachstum der liechtensteinischen Exporte jedoch deutlich an Dynamik verloren und es kann eine zunehmende Entkopplung von der globalen Wirtschaftsentwicklung beobachtet werden.
Im vorliegenden LI Focus 2/2024 werden unter Verwendung eines breiten internationalen Aussenhandelsdatensatzes auf Staaten- und Güterkategorieebene die Gründe für die im internationalen Vergleich schwache Wachstumsentwicklung des liechtensteinischen Güterexports seit der Finanzkrise 2008/09 analysiert. Während der Umstand, dass die Globalisierung seit der Finanzkrise deutlich an Dynamik verloren hat, für die liechtensteinische Exportwirtschaft sicherlich nicht förderlich war, kann er nicht erklären, warum sich Liechtensteins Güterexporte in den letzten Jahren schlechter entwickelt haben als in anderen europäischen Staaten. Auch die sektorale Ausrichtung der Exportwirtschaft (v.a. Maschinenbau und metallverarbeitende Industrie) scheint die langfristige Entkopplung Liechtensteins vom globalen Güterhandelswachstum nicht plausibilisieren zu können.
Im Gegensatz zu den Güterexporten entwickelten sich die Beschäftigung und vor allem die Wertschöpfung im Industriesektor in Liechtenstein in den letzten Jahren positiv. Die verfügbaren Daten lassen darauf schliessen, dass die Produktionskapazitäten der liechtensteinischen Industrieunternehmen deutlich weniger stark am Standort Liechtenstein ausgebaut wurden als im Ausland. Diese Tendenz kann als Ursache für die Entkopplung der liechtensteinischen Güterexporte vom weltwirtschaftlichen Wachstum identifiziert werden. Am Standort Liechtenstein wurden im gleichen Zeitraum Forschungs- und Headquarterfunktionen relativ stark ausgebaut. Dieser Strukturwandel wurde durch die andauernde Aufwertungstendenz des Schweizer Frankens und die sich dadurch verschlechternde internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit akzentuiert.
So stieg die Güterproduktion im Inland zwar weniger stark als jene im Ausland an, es kam allerdings zu positiven Mittelrückflüssen nach Liechtenstein (z. B. aus betriebsinterner Verrechnung von Vorleistungen oder aus im Ausland erzielten Gewinnen). Dieser Strukturwandel widerspiegelt sich in der positiven Entwicklung von Wertschöpfung und Auslandsumsätzen der liechtensteinischen Industrieunternehmen im Vergleich zu den Exportzahlen.