Vortrag «Outsourcing im Bereich Sicherheit und Recht»

02.11.2020 - Mitteilung
Im Kleinstaat darf die Sorge um Sicherheit nicht an der Staatsgrenze Halt machen. Sie macht es auch nicht, wie das Beispiel Liechtenstein zeigt. Nicht zuletzt die Einschränkungen aufgrund des Coronavirus haben jedoch die nationalen Grenzen wieder stärker sichtbar gemacht. Gleichzeitig haben sie aufgezeigt, wie wertvoll es für Liechtenstein ist, in Notlagen auf die Unterstützung durch die Nachbarn zählen zu können. In einem kürzlich am Liechtenstein-Institut gehaltenen Vortrag beleuchtete Patricia Schiess dieses Thema.

Eine enge Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg stellt keine Selbstverständlichkeit dar. Schliesslich gilt die Staatsgewalt (neben Staatsgebiet und Staatsvolk) als Voraussetzung, dass ein Gebilde als Staat qualifiziert werden kann.

Weil ein Staat über das Gewaltmonopol verfügen muss, kann die Übertragung von Sicherheitsaufgaben an Private seine Legitimation in Frage stellen. Die rechtswissenschaftliche Lehre der deutschsprachigen Staaten ist sich denn auch einig, dass der Auslagerung von hoheitlichen Aufgaben enge Grenzen gesetzt sind. Zwar stellt nicht jede Aufgabe, welche die Landespolizei vornimmt oder die dem Amt für Bevölkerungsschutz zukommt, eine hoheitliche Aufgabe dar. Doch ist die Schnittmenge zwischen hoheitlichen Aufgaben und Aufgaben im Bereich Sicherheit gross.

Gesetzliche Grundlage
Voraussetzung Lehre und Rechtsprechung in Liechtenstein und seinen Nachbarländern sind sich einig, dass die Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auf Private eine genügende gesetzliche Grundlage voraussetzt, dass sie die Grundrechte der Rechtsunterworfenen wahren und ihnen Rechtsschutz im Inland gewähren muss. Überdies setzt auch die demokratische Ordnung Grenzen. Sobald nämlich Private Aufgaben wahrnehmen, verzichtet der Gesetzgeber auf seine Kompetenzen im Bereich der Gestaltung und werden Regierung und Landtag in ihren Kontrollbefugnissen beschnitten.

Verantwortung bleibt beim Staat
Wie Patricia Schiess in ihrem Referat aufzeigte, gelten diese Voraussetzungen auch für die Übertragung von Aufgaben an ausländische Institutionen, gleichen sich doch die beiden Konstellationen stark. Was bezüglich der Auslagerung an Private gilt, gilt auch für die Übertragung von Aufgaben an ausländische Institutionen. Das heisst, dass die Verantwortung für die Folgen der Privatisierung beim Staat verbleibt und er nicht nur die Rahmenbedingungen setzen, sondern die Privaten kontrollieren muss und zu reagieren hat, wenn sich die Verhältnisse ändern.

Werden Aufgaben ins Ausland ausgelagert, könnten die innere und äussere Souveränität in Frage gestellt werden. Die innere Souveränität ist betroffen, wenn ein Staat nicht mehr selber über seine Organisation bestimmen kann und seine Staatsgewalt von der eigenen Bevölkerung in Frage gestellt sieht. Die äussere Souveränität ist in Gefahr, wenn sich ein fremder Staat in innere Angelegenheiten einmischt. Ob es Staatsaufgaben gibt, die unter keinen Umständen an ausländische Institutionen übertragen werden dürfen, erörtert die neuere deutschsprachige Lehre nicht. Immer wieder diskutiert wird jedoch, ob es Aufgaben gibt, die nicht an Private ausgelagert werden dürfen. Allerdings gelangt die Lehre hierbei zum Schluss, es sei nicht möglich, einen Katalog aufzustellen, welche Aufgaben zwingend von staatlicher Hand erledigt werden müssen. Dem Gesetzgeber stehe es jedoch frei, Aufgaben zu bezeichnen, die nicht ausgelagert werden dürfen.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
In der an den Vortrag anschliessenden Diskussion wurden verschiedene Formen, in denen Liechtenstein auf Dienste im Ausland zurückgreift (z.B. Ausbildung in der Ostschweizer Polizeischule, Aufträge an kriminaltechnische Laboratorien), sich den Zugang zu Einrichtungen eines Nachbarstaates sichert oder die grenzüberschreitende Zusammenarbeit regelt, angesprochen. Es gibt Staatsverträge, die von gleichwertigen Partnern ausgehen, aber faktisch der eine die von beiden einzusetzenden technischen Einrichtungen bestimmt. Andere Übereinkommen fördern den kontinuierlichen Austausch und initiieren gemeinsame Übungen, die im Katastrophenfall eine vertrauensvolle Zusammenarbeit über die Staatsgrenzen hinweg ermöglichen.

 

Outsourcing im Bereich Sicherheit und Recht. Vortrag von Patricia Schiess, Bendern, 21. Oktober 2020.