Panel zu Kleinstaaten im Rahmen des Sixth European Congress on World and Global History

02.07.2021 - Mitteilung
Aufgrund der Covid-19-Pandemie fand der Sechste Europäische Kongress für Welt- und Globalgeschichte ein Jahr später Mitte Juni 2021 und statt in Turku online statt. Das von Stephan Scheuzger im Rahmen des Kongresses organisierte Panel “Global history and the history of small states: Research agendas for the integration of a marginalized field of study” nahm auf drei Ebenen auf das Kongress-Thema „Minorities, Cultures of Integration and Patterns of Exclusion“ Bezug.

Auf einer Meta-Ebene ging es im Panel darum, die Möglichkeiten der Integration des weitgehend marginalisierten Forschungsfeldes der Geschichte von Kleinstaaten in die Perspektiven der Globalgeschichte zu diskutieren. Auf der Ebene des internationalen Staatensystems waren Kleinstaaten in besonderem Masse Mechanismen von Integration und Ausschluss ausgesetzt. Schliesslich erhielten in Kleinstaaten auf der nationalstaatlichen Ebene Fragen der Zugehörigkeit, des Innen und Aussen, von Mehrheit und Minderheit ein besonderes Gewicht. Diese verschiedenen Zugänge miteinander verbindend, präsentierten fünf Beiträge unterschiedliche Aspekte der Kleinstaatlichkeit zu fünf verschiedenen Ländern.

Denis Scuto beleuchtete die rasche Entwicklung Luxemburgs von einer, in den Augen vieler, ländlichen, katholischen zu einer post-modernen, kosmopolitischen Gesellschaft in ihrer Verbindung mit der Globalisierung des Finanzplatzes seit den 1960er Jahren. Er plädierte dabei für eine verstärkte und differenziertere historische Forschung zu Finanzplätzen und eine Dezentrierung der historiographischen Perspektiven auf den sogenannten „shock of the global“ (Niall Ferguson et al.) der 1970er Jahre durch den Blick auf Kleinstaaten. Khairudin Aljunied zeigte am Beispiel Singapurs seit dem 19. Jahrhundert auf, wie Kleinstaaten global eine durchaus bedeutende Rolle spielen konnten. Als entscheidende Faktoren dafür fokussierte er für den Fall des Stadtstaates auf das kapitalistische Weltsystem, den transformierenden Beitrag von Migrantinnen und Migranten sowie eine günstige geographische Lage. Ausgehend von den Unterschieden und Wechselwirkungen zwischen „nation-building“ und „nation-branding“ zeigte Rosemarijn Hoefte auf, wie Surinam in den letzten rund zwei Jahrzehnten nach aussen versuchte, sich international als dynamisches, multikulturelles Land zu positionieren, um Tourismus und Investitionen anzuziehen, gleichzeitig aber nach innen weiterhin einen Umgang mit seiner komplexen, heterogenen sozio-kulturellen und politischen Identität suchte. Andreas Mørkved und Carl Marklund analysierten die bewusste aussenpolitische Positionierung Schwedens als Kleinstaat in den 1970er Jahren, um seinen internationalen Einfluss zu stärken. Im Kontext des Kalten Kriegs und der Blockpolitik der Supermächte ging es der sozialdemokratischen Regierung Schwedens mit dieser Ausrichtung gerade auch um gute Beziehungen zu Ländern des post-kolonialen, globalen Südens. Stephan Scheuzger präsentierte am Beispiel Liechtensteins eine Reihe von grundsätzlichen Überlegungen zu neuen Ansätzen der historischen Forschung über Kleinstaaten in Verbindung mit globalgeschichtlichen Perspektiven.

Eingeleitet von substanziellen Kommentaren von Geert Castryck erbrachte die Diskussion der Papers vielfältige Einsichten zum bisher randständigen Forschungsfeld der Geschichte von Kleinstaatlichkeit. Dabei wurde nicht zuletzt deutlich, dass geschichtswissenschaftliche Ansätze deutlich über die Forschungsfragen und Perspektiven der Kleinstaatenforschung hinausgehen müssen, wie sie in den letzten Jahrzehnten von der Politikwissenschaft geprägt worden ist. Das Erkenntnisinteresse hat sich dabei namentlich verstärkt darauf zu richten, was die Grösse der Bevölkerung und/oder des Territoriums eines Staates sowie die Wahrnehmung davon für die Entwicklung eines Landes bedeutete, was die Kleinheit mit den Gesellschaften machte und was diese mit der Kleinheit machten. Über eine allgemeine Agenda für die historische Kleinstaatenforschung hinaus ergab die Diskussion eine Reihe konkreter Fragestellungen, die der Teilnehmerin und den Teilnehmern des Panels als vielversprechend und wegweisend erschienen. Zu einer davon wollen die Teilnehmenden im Rahmen einer vereinbarten weiteren Zusammenarbeit zunächst einmal ein Zeitschriftenheft realisieren.

 

Sixth European Congress on World and Global History: “Minorities, Cultures of Integration and Patterns of Exclusion”, online, 15.–19. Juni 2021


Panel “Global history and the history of small states: Research agendas for the integration of a marginalized field of study”


Organisator
PD Dr. Stephan Scheuzger (Liechtenstein-Institut)


Referierende
Prof. Dr. Denis Scuto (Université de Luxembourg): “A Very Small State Questioning the ‘Shock of the Global’: Luxembourg”

Prof. Dr. Syed Muhd Khairudin Aljunied (National University of Singapore): “Small States, Global Significance: Singapore from an Entwined History Perspective”

Prof. Dr. Rosemarijn Hoefte (University of Amsterdam / Royal Netherlands Institute of Southeast Asian and Caribbean Studies): “Ethnic Diversity and Globalization in a Small Postcolonial Caribbean State”

Dr. Andreas Mørkved Hellenes (Aarhus University) / Dr. Carl Marklund (Södertörn University): “Cultural Affinity and Small State Solidarity: Swedish Public Debate and Knowledge Production on Global North-South Relations in the 1970s”

PD Dr. Stephan Scheuzger (Liechtenstein-Institut): “The World in a Very Small State, a Very Small State in the World: Studying the History of Liechtenstein”


Kommentar
Dr. Geert Castryck (Universität Leipzig)