Eine Rechtsgeschichte der Anredeformen – vom Untertanen zum Bürger
Ungeachtet der spärlichen gesetzlichen Verankerung der Sie-Anrede in Liechtenstein ist der Schutz der Ehre ein Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 16 ABGB bzw. der Art. 39 ff. PGR und zählt zu den absoluten Rechten, deren Beachtung von jedermann verlangt werden kann. Dies gilt nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im Verkehr der Behörden mit den Bürgern. So haben nach der Verordnung vom August 2000 über den Dienstbetrieb und die Organisation der Landespolizei Polizeibeamte im Kontakt mit der Bevölkerung höflich und korrekt aufzutreten. Seit dem liechtensteinischen Strafvollzugsgesetz vom September 2007 sind zudem die Häftlinge im Landesgefängnis in Vaduz nach österreichischem Vorbild ausdrücklich mit „Sie“ bzw. mit „Herr“ oder „Frau“ anzureden. Der Ursprung des Siezens im behördlichen Verkehr ist freilich wesentlich älter und auf Erlasse zurückzuführen, die unter dem Eindruck der Revolution von 1848 in Wien und Berlin ergingen. Der Beitrag zeichnet diese Entwicklung nach.