Referent
Dr. Georges Baur, Liechtenstein-Institut
Zum Vortrag
Auf den ersten Blick scheinen die Grenzen Liechtensteins, wie auch jene anderer Klein(st)staaten klar umrissen zu sein: In der Regel sind sie geographisch festgelegt und völkerrechtlich anerkannt. Es sind die Grenzen, innerhalb welcher, vereinfacht gesagt, die Staatsgewalt ausgeübt wird. Heutzutage steht ein Staatswesen, zumindest in Europa, aber nicht mehr alleine. Es ist zumeist durch eine Vielzahl von Abkommen mit anderen Staaten verbunden oder in grösseren Gebilden vereint. Für Liechtenstein sind z.B. der Zollvertrag, der EWR oder Schengen zu nennen. Dann gibt es aber auch informelle Ausdehnungen von Grenzen. Diese können kultureller, wirtschaftlicher oder anderer Art sein. Dieser Vortrag möchte am Beispiel Liechtensteins zeigen, dass das klassische Konzept von Grenzen zu kurz greift und vor einem rechtswissenschaftlichen Hintergrund alternative Grenz- bzw. Raumkonzepte vorschlagen.
Zur Vortragsreihe
Grenzen definieren Territorien. Territorien als politischen Entscheidungsräumen wie auch als Identifikationsräumen kam in der Entwicklung der modernen Welt eine zentrale Rolle zu. Die beschleunigten Globalisierungsprozesse ab dem späten 20. Jahrhundert fordern bestehende territoriale politische Entscheidungsräume und Identifikationsräume – gerade in der bislang dominierenden Form des Nationalstaates – zunehmend heraus und lassen diese auch nicht mehr unbedingt als deckungsgleich erscheinen. In diesem Kontext wird die Bedeutung von Grenzen seit einiger Zeit neu betrachtet und diskutiert. Diese Bedeutung ist alles andere als eindeutig. Während Grenzen teilweise durchlässiger geworden sind, sind sie andernorts oder für bestimmte Personengruppen oder Güter in den letzten Jahren und Jahrzehnten verstärkt worden.
Die Bedeutung von Grenzen ist für alle Zeiten differenziert zu betrachten. Immer haben sich nicht nur Menschen über Grenzen, sondern auch Grenzen über Menschen hinwegbewegt. Grenzen haben stets nicht nur geschützt, sondern auch zerstört. Und Grenzen haben nicht nur Räume getrennt, sondern auch verbunden.
In kleinen Staaten, wie Liechtenstein, sind die territorialen Grenzen gleichsam allgegenwärtig. Ihre vielfältige Bedeutung ist laufend unmittelbar zu erfahren. Im Jahr nach dem hundertjährigen Jubiläum des Abschlusses des Zollvertrags mit der Schweiz widmet das Liechtenstein-Institut deshalb dem Thema «Grenzen» eine Vortragsreihe.
Vier Beiträge beleuchten dabei das Thema aus geschichts-, politik-, rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive. Theoretische und konzeptionelle Überlegungen werden mit praktischen, empirischen Befunden in Bezug gesetzt. Auf das «Grenzland» Liechtenstein wird ebenso geblickt wie darüber hinaus.
Der Vortrag kann auch per Zoom mitverfolgt werden. Der Teilnahmelink kann bis Dienstag, 5. November 2024, unter angefordert werden.