Märk-Rohrer, Linda; Schiess, Patricia (2020): 24-Stunden-Betreuung durch Care-Migrantinnen und -Migranten in Liechtenstein. Analyse der institutionellen und rechtlichen Situation. Studie im Auftrag von: Verein für Menschenrechte (VMR), Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband (LANV), Informations- und Beratungsstelle für Frauen (infra). Liechtenstein-Institut, Bendern.

Abstract
Diese Studie über die Rund-um-die-Uhr-Betreuung in Liechtenstein wertet die öffentlich zugänglichen Daten zu den Betreuerinnen und Betreuern aus, die sich in einem liechtensteinischen Haushalt um eine betreuungsbedürftige Person kümmern. Überdies analysiert sie die auf die Arbeitsverhältnisse der vornehmlich aus Osteuropa stammenden Betreuungskräfte zur Anwendung gelangenden arbeitsrechtlichen Normen aus. Es zeigt sich, dass nur wenig über die Betreuungskräfte bekannt ist, obwohl das Land ihre Einstellung seit 2010 durch das Betreuungs- und Pflegegeld mitfinanziert.

Die arbeitsrechtliche Analyse konzentriert sich auf diejenigen Care-Migrantinnen und -Migranten, die von den betagten Personen beschäftigt werden. Auf sie sind viele Bestimmungen (aus dem ABGB, dem Arbeiterschutzgesetz, dem Normalarbeitsvertrag für hauswirtschaftliche Arbeitnehmerinnen sowie EU-Richtlinien) anwendbar. Nicht zur Anwendung gelangt jedoch das Arbeitsgesetz, weil es sich bei diesen Betreuungskräften um Hausangestellte handelt. Überdies sind die arbeitsrechtlichen Normen nicht auf die spezielle Situation der 24-Stunden-Betreuung zugeschnitten, in der sich zwei Betreuerinnen oder Betreuer in der Regel alle drei Wochen abwechseln und während ihres Arbeitseinsatzes im Haushalt der betreuten Person Kost und Logis haben.

Die Studie analysiert die im EWR-Mitgliedstaat Liechtenstein geltenden EU-Richtlinien, vor allem die Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, die so genannte Arbeitszeitrichtlinie ArbZRL. Aus ihr ergibt sich, dass viele der von den Betreuerinnen und Betreuer im Haushalt der betreuten Person verbrachten Stunden als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren sind und deshalb sowohl für die Berechnung der Höchstarbeitszeiten und der Pausen relevant sind als auch bei der Entschädigung zu berücksichtigen sind.

Anders als in der Schweiz, dessen öffentliches und privates Arbeitsrecht Liechtenstein zu einem grossen Teil übernommen hat, sieht der liechtensteinische Normalarbeitsvertrag für hauswirtschaftliche Arbeitnehmerinnen keine speziellen Vorschriften für die 24-Stunden-Betreuung vor. Auch kennt Liechtenstein keinen zwingend einzuhaltenden Mindestlohn für Hausangestellte.

Dargestellt werden in der Studie auch die auf die Care-Migrantinnen und -Migranten zur Anwendung gelangenden liechtensteinischen Bestimmungen bezüglich Arbeitsbewilligung, Aufenthalt und Sozialversicherung. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass die Betreuerinnen und Betreuer als Grenzgängerinnen und Grenzgänger tätig sind. Ein Blick auf völkerrechtliche Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (der Liechtenstein bis heute nicht beigetreten ist), des Europarates (EMRK und Übereinkommen des Europarates vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels) und auf die Verpflichtungen Liechtensteins aus der UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW runden diese Studie zusammen mit Verbesserungsvorschlägen ab.

Diese Studie wurde vom Verein für Menschenrechte in Liechtenstein VMR, vom Liechtensteinischen ArbeitnehmerInnenverband LANV und von der Informations- und Beratungsstelle für Frauen infra beim Liechtenstein-Institut in Auftrag gegeben.

Schlagwörter: Arbeitsrecht, Bereitschaftsdienst, Höchstarbeitszeit und Ruhezeit, Grenzgänger, betagte Menschen, Pflege, Care-Migration, Hausangestellte

 

This study analyses the 24-hour care of elderly people in Liechtenstein, performed by commuting migrants from eastern Europe. It compiles the published figures on care migrants and domestic workers and analyses the labour law regulation of their employment. Particular attention is paid to Directive 2003/88/EC concerning certain aspects of the organisation of working time, stand-by time and the fact that in Liechtenstein live-ins as domestic servants are not subject to public labour law.

Keywords: Labour law, stand-by time, maximum working time and rest time, cross-border commuters, elderly persons, care, care-migration, domestic worker