Politischer Parallelismus und normative Ansprüche an Öffentlichkeit – Der Fall Liechtenstein

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Eine öffentlichkeitstheoretisch geleitete Inhaltsanalyse der Tageszeitungen für die Jahre 2006 und 2014. 

 

Wenn Medien eine ideologisch begründete politische Haltung verfolgen, so können sie als politische Akteure definiert werden. Die Forschung über Medien als politische Akteure ging bisher insbesondere der Frage nach, ob Medien autonome Positionen vertreten und damit ihre eigene Stimme im politischen Prozess erheben. Dies liess sich jedoch mehrheitlich nicht bestätigen. Die Medien agieren vielmehr als Repräsentanten bzw. Advokaten für politische Interessen bereits existierender ideologischer oder gar parteipolitischer Strömungen. Im Anschluss an diesen Befund stellt sich die Frage, inwieweit Medien in ihrer politischen Rolle als Repräsentanten und Advokaten in der Lage sind, normative Ansprüche an die politische Berichterstattung zu erfüllen.

 
Die liechtensteinischen Tageszeitungen Liechtensteiner Volksblatt und Liechtensteiner Vaterland erreichen ca. 90 Prozent der Bevölkerung. Aufgrund dieser hohen Reichweite sind die beiden Tageszeitungen das konstituierende Element der Meinungsbildung in Liechtenstein. Der hohe Einfluss der Tageszeitungen auf die Meinungsbildung konnte im Rahmen von Nachwahlbefragungen mehrmals empirisch bestätigt werden. Gemäss der statutarisch festgelegten Selbstbeschreibung sind die liechtensteinischen Tageszeitungen zum einen Informationsmedium für alle Gesellschaftsgruppen und zum anderen Sprachrohr der zwei grössten Parteien „Fortschrittliche Bürgerpartei“ (FBP) und „Vaterländische Union“ (VU). Das Liechtensteiner Volksblatt unterhält ein Nahverhältnis zur FBP, das Liechtensteiner Vaterland zur VU. Aufgrund dieser engen Verbindung zu den Grossparteien können die Tageszeitungen als politische Akteure definiert werden. Wenn Medien die Rolle von politischen Akteuren einnehmen, besteht die demokratietheoretisch begründete Gefahr, dass die politische Berichterstattung durch einen starken parteipolitischen Bias gefärbt ist und damit normative Ansprüche nur bedingt erfüllt werden.
 
Mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse der Berichterstattung der beiden Tageszeitungen über die politischen Akteure (Staatsoberhaupt, Regierung, Landtag und Parteien) werden die Landtagsberichterstattung und Meinungsbeiträge (Kommentare/Standpunkte und Leserbriefe/Forumsbeiträge) der Jahre 2006 und 2014 untersucht und Schlussfolgerungen hinsichtlich der Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung demokratietheoretischer normativer Ansprüche gezogen. Normativer Bezugsrahmen bildet dabei das repräsentativ-liberale Öffentlichkeitsmodell (Gerhards/Neidhardt), welches im Vergleich zum diskursiv-deliberativen Modell (Habermas) relativ genügsam, aber dafür realitätsnäher ist. Die normativen Elemente des repräsentativ-liberalen Öffentlichkeitsmodells sind neben dem respektvollen Umgang zwischen den politischen Akteuren, einer gewissen Offenheit gegenüber allen politischen Ideen und dem Abschluss der Debatte eine Elitendominanz, Proportionalität, Transparenz und Expertise.

 

Schlüsselwörter: Liechtenstein, Tageszeitungen, Demokratie, Öffentlichkeit, normative Ansprüche, Landtagsberichterstattung, Meinungsbeiträge