Habilitationsverfahren von Martin Geiger erfolgreich abgeschlossen
Die kumulative Habilitationsschrift enthält insgesamt zwölf empirische Arbeiten, welche in akademischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Geiger zeigt unter anderem, dass Erwartungen oft theoriekonform auf konjunkturelle Schocks reagieren. Der Einfluss dieser Schocks auf wirtschaftliche Entscheidungen und speziell auf den Konsum bleibt jedoch begrenzt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Rolle von Unsicherheit in wirtschaftlichen Krisenzeiten, wie sie beispielsweise durch den Brexit oder die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurden.
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Öffentliche Veranstaltung: Makroökonomische Schocks, Erwartungen und Unsicherheit
Anlässlich des abgeschlossenen Habilitationsverfahrens wird Martin Geiger am 18.9.2025, 16.00 h, im Rahmen eines öffentlichen Vortrags ausgewählte Studien und zentrale Erkenntnisse präsentieren und im Lichte gegenwärtiger makroökonomischer Herausforderung diskutieren.
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AUSGEWÄHLTE STUDIEN UND ZENTRALE ERKENNTNISSE
Die Kosten des Brexits und die Rolle der britischen Geldpolitik
Obwohl der Brexit im Allgemeinen als ein Ereignis betrachtet wird, das zeitlich mit dem Referendum des Vereinigten Königreichs über seine EU-Mitgliedschaft am 23. Juni 2016 zusammenfällt, kam es zwischen dem Referendum und dem Abschluss des Austrittsabkommens zu vielen Unwägbarkeiten und erhöhter wirtschaftspolitischer Unsicherheit.
Die Studie analysiert, wie Unsicherheit bezüglich des zu erwartenden neuen Modus Operandi im Zuge des Brexit-Verlaufs Wirtschaft und Finanzmärkte beeinflusste. Eine systematische Chronologie von Brexit-Ereignissen wird verwendet, um wirtschaftspolitische Verwerfungen anhand von Börsenkursen, Wechselkursen und Medienmitteilungen zu messen.
Der Brexit wirkte negativ auf die britische Wirtschaftsaktivität und das Konsumentenvertrauen und liess die Inflation ansteigen. Ausserdem zeigt die Studie, dass ohne die geldpolitischen Gegenmassnahmen der Bank of England die Auswirkungen deutlich gravierender gewesen wären.
Geldpolitik und Konsumentenerwartungen in der Eurozone
Die Erwartungsbildung wird als zentrales Element der Wirkung von Geldpolitik gesehen. Unter Verwendung von europaweit harmonisierten Umfragedaten wird untersucht, wie die EZB-Zinspolitik Einschätzungen über zukünftige Preis- und Beschäftigungsentwicklungen beeinflusst.
Die in der Studie präsentierten Ergebnisse zeigen, dass Konsumenten die makroökonomischen Effekte weitgehend in Übereinstimmung mit gängigen Wirtschaftsmodellen einschätzen. Obwohl die Länder der Eurozone durch wirtschaftliche und institutionelle Unterschiede geprägt sind, sind die Erwartungen über die makroökonomischen Konsequenzen der EZB-Zinspolitik weitgehend akkurat und über die Länder der Eurozone hinweg relativ homogen. Dabei ist die EZB-Zinspolitik besonders effektiv in Hinblick auf die Steuerung von Preiserwartung, während Beschäftigungserwartungen in den einzelnen Ländern etwas unterschiedlicher auf Zinsänderungen reagieren.
Interpretation makroökonomischer Entwicklungen durch die Bevölkerung
Unter Verwendung von Umfragedaten wird untersucht, wie die allgemeine Bevölkerung konjunkturelle Schwankungen, die von der Nachfrage, der Produktion oder der Geldpolitik ausgelöst werden, verarbeitet. Die vorgestellten Ergebnisse belegen, dass die von der Bevölkerung im Durchschnitt erwarteten Effekte dieser Schwankungen auf Arbeitslosigkeit, Inflation und Zinsen weitgehend mit makroökonomischer Theorie übereinstimmen. Ausserdem sind die Einschätzungen der Bevölkerung qualitativ ähnlich wie die professioneller Wirtschaftsprognostiker.
In der Volkswirtschaft galt lange die Annahme, dass die Bildung von Erwartungen ein anspruchsvoller, bewusster Prozess ist, der wirtschaftliches Verständnis und statistische Fähigkeiten erfordert – Kompetenzen, die meist nur professionellen Prognostikern zugeschrieben werden. Umso überraschender ist es, dass auch die Allgemeinbevölkerung konjunkturelle Entwicklungen relativ zutreffend interpretiert. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass ihre Fähigkeit zur Verarbeitung makroökonomischer Informationen begrenzt ist: Nur ein kleiner Teil der Erwartungsanpassungen lässt sich tatsächlich durch wirtschaftliche Entwicklungen erklären. Das deutet auf eine sogenannte „rationale Unaufmerksamkeit“ hin – Menschen nehmen relevante Informationen selektiv wahr, was die Wirkung konjunktureller Veränderungen auf ihre Erwartungen reduziert.