Liebensteiner, Mario; Losert, Jakob; Necker, Sarah; Neumeier, Florian; Paetzold, Jörg; Wichert, Sebastian (2024): Auswirkungen des 9-Euro-Tickets auf das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung. ifo Schnelldienst 8/2024, 77. Jahrgang.

Erscheinungsjahr:
2024
Autor(en):

In den vergangenen Jahren haben mehrere europäische Länder stark ermäßigte oder sogar kostenfreie Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) diskutiert oder eingeführt. Vom 1. Juni bis 31. August 2022 wurde in Deutschland ein solches Ticket temporär eingeführt, das den Fahrpreis für alle lokalen und regionalen öffentlichen Verkehrsmittel bundesweit auf 9 Euro pro Monat senkte. Hat das 9-Euro-Ticket die Mobilitätsmuster, wie die Verkehrsmittelwahl, verändert? Hat es die Qualität der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur beeinflusst und, wenn ja, wie? Mit Hilfe innovativer Mobilitäts-, Verkehrsvolumen- und Zugverspätungsdaten und ökonometrischer Kausalmodelle zeigen wir, dass das Ticket die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich gesteigert hat, wobei Zugfahrten um etwa 30–35 % zunahmen. Wir beobachten einen moderaten Rückgang des Autoverkehrs von höchstens 4–5 %. Allerdings führte die erhöhte Nachfrage im ÖPNV zu einer signifikanten Zunahme der Zugverspätungen, was auf eine Verschlechterung der Infrastrukturqualität hinweist. Es waren nicht nur die Regionalzüge betroffen, sondern auch Fernzüge, für die das Ticket nicht galt. Wir zeigen, dass dieses (fast) kostenlose, landesweite Nahverkehrsticket nicht sehr effektiv war, um den Verkehrsmittelwechsel weg vom Auto auszulösen. Demnach sollten politische Entscheidungsträger vorsichtig sein, wenn sie stark vergünstigte ÖPNV-Tickets für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors in Erwägung ziehen.

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