Rehabilitierung und Entschädigung von strafrechtlich verfolgten Homosexuellen
Analog zur Rechtslage in Österreich, wenngleich zeitlich versetzt, war in Liechtenstein bis Ende 1988 die „gleichgeschlechtliche Unzucht“ zwischen Männern sowie zwischen Frauen gerichtlich strafbar. Mit dem Inkrafttreten des neuen liechtensteinischen Strafgesetzbuches (StGB) folgten 1989 – ebenfalls nach österreichischem Vorbild – vier Sonderparagrafen für Homosexuelle. Aufgrund des § 208 StGB wurde etwa ein Neunzehnjähriger, der eine einvernehmliche sexuellen Beziehung zu einem Siebzehnjährigen unterhielt, strafrechtlich verfolgt, während dieselbe Liebesbeziehung mit einem siebzehnjährigen Mädchen straffrei blieb. Ebenso wenig wurden lesbische Sexualkontakte von § 208 StGB erfasst. 2001 wurden die einschlägigen Strafbestimmungen teils aufgehoben, teils geschlechtsneutral formuliert. Künftig sollten homosexuelle Betätigungen nicht mehr diskriminiert bzw. kriminalisiert werden, allerdings strebte die Strafrechtsnovelle keine Rückwirkung an.
Die österreichische Bundesregierung sowie die zuständigen Ausschüsse des österreichischen Nationalrates und des österreichischen Bundesrates nahmen anlässlich der Verabschiedung des erwähnten Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetzes den Standpunkt ein, dass „diese Sonderstrafgesetze homo- und bisexuelle Bürgerinnen und Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt“ haben. Diese Wertung kann Ospelt zufolge aufgrund des Gleichheitssatzes der Landesverfassung sowie aus Fairnesserwägungen gegenüber den ehemals strafrechtlich verfolgten Homosexuellen auf Liechtenstein übertragen werden.
Ospelt problematisiert in seinem Aufsatz jedoch die eher symbolische Höhe der österreichischen Entschädigungssätze. Beispielsweise erscheint eine Entschädigung von lediglich 1500 Euro (bzw. Franken) für eine erlittene einjährige Freiheitsstrafe im Lichte der einschlägigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie der in Liechtenstein üblichen Entschädigungssätze als zu gering bemessen. Insofern besteht für den Fall einer Rezeption des österreichischen Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetzes durch Liechtenstein durchaus ein Modifikationsbedarf.
Abschliessend räumt Ospelt ein, dass die Vorbereitung, die Verabschiedung und die Vollziehung eines solchen Gesetzes mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden wären. Hinzu käme die Belastung der liechtensteinischen Staatskasse durch Entschädigungszahlungen. Es liegt am liechtensteinischen Gesetzgeber, das Für und Wider eines Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetzes für Homosexuelle abzuwägen.
Wiedergutmachung für strafrechtlich verfolgte Homosexuelle: Rechtsexperte stösst Debatte an. Beitrag von Elias Quaderer, Liechtensteiner Vaterland, 11. April 2024