Neues Arbeitspapier zu den rechtlichen Aspekten der Bekämpfung des Coronavirus
Der wegen des Coronavirus (COVID-19) verordnete Fernunterricht an Liechtensteins Schulen, das Verbot von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum, die Regeln, welche Geschäfte geöffnet sein dürfen und welche nicht, die Vorgaben für die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern sowie weitgehende Einreisebeschränkungen – alle diese Massnahmen haben gemeinsam, dass sie sich in der COVID-19-Verordnung vom 13. März 2020 finden.
Diese Verordnung wurde von der Regierung am gleichen Tag erlassen wie die schweizerische Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus. Dies ist kein Zufall, stützt sich doch die liechtensteinische Verordnung auf das schweizerische Epidemiengesetz. Dieses wiederum findet seine Grundlage im Zollanschlussvertrag.
Dieses Arbeitspapier analysiert die Beziehungen zwischen diesen Erlassen. Es zeigt die Kompetenzen Liechtensteins in dieser ausserordentlichen Lage und den Einfluss des Schweizer Rechts auf. Für die Bestimmung des Spielraums Liechtensteins bei der Bewältigung einer Pandemie kommt dem Sinn und Zweck des Zollanschlussvertrages grosse Bedeutung zu. Es gilt deshalb auszuloten, wie weit die im schweizerischen Epidemiengesetz verankerten Kompetenzen des Bundesrates reichen. Hierbei wird gezeigt, dass der Bundesrat in der besonderen und der ausserordentlichen Lage Kompetenzen der Kantone an sich ziehen darf. Dies gilt jedoch nicht gegenüber dem souveränen Staat Liechtenstein. Gleichwohl ist Liechtenstein gestützt auf den Zollanschlussvertrag verpflichtet, all diejenigen Schweizer Massnahmen gegen das Coronavirus zu befolgen, die Zollvertragsmaterien sind. Dies betrifft insbesondere die Einreisebeschränkungen, das Verbot des Einkaufstourismus und die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern. Bezüglich der Beschaffung und Verteilung der notwendigen Arzneimittel, Medizinprodukte und Schutzausrüstungen ist Liechtenstein durch die Ergänzung der Verordnung vom 7. April 2020 vollständig in das System der Schweiz eingebunden.
So wie Liechtenstein beim Erlass der Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus über gewisse Spielräume verfügt, hat das Land nun auch bei der Lockerung die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen, solange der Schutz der Gesundheit im gleichen Masse gewährleistet ist wie in der Schweiz. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Schule und Kinderbetreuung sowie für die Gestaltung von Ausgangsbeschränkungen.
Während einer Pandemie müssen Massnahmen rasch getroffen werden. Die Verantwortung konzentriert sich bei der Regierung. Zudem besteht die Herausforderung, dass die durch den Zollanschlussvertrag auch in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften hierzulande nicht automatisch und nicht gleichzeitig wie in der Schweiz in Kraft treten. Die Regierung hat deshalb am 28. Februar und 13. März 2020 selbständig die Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus erlassen. Sie können vor dem StGH angefochten werden. Gleichwohl wird im vorliegenden Beitrag dazu angeregt darüber nachzudenken, wie künftig mit dringlichen Schweizer Erlassen umgegangen wird, die auch in Liechtenstein umgehend anwendbar sein sollen.
Diese Untersuchung erscheint am 4. Mai 2020 auch in der Online-Zeitschrift «Jusletter» der Editions Weblaw, Bern.
Die Corona-Krise – Analysen, Gastkommentare, Interviews. Beiträge des Liechtenstein-Instituts zur Corona-Krise.
Wo die Schweiz mitbestimmt. Beitrag von Daniela Fritz, Liechtensteiner Volksblatt, 29.4.2020
Je länger die Massnahmen bestehen, desto wichtiger ist es, den Landtag einzubinden». Interview von Daniela Fritz mit Patricia Schiess, Liechtensteiner Volksblatt, 29.4.2020
Den rechtlichen Spielraum ausgelotet. Liechtensteiner Vaterland, 7.5.2020