Abstract
Die liechtensteinischen Kirchengebäude liegen im Koordinatensystem des Rechts sozusagen an der Schnittstelle zwischen kanonischem Recht einerseits und staatlichem Recht andererseits. An ihnen entzünden sich beim Zusammentreffen beider Rechte häufig Rechtsfragen von hoher praktischer Relevanz, die im Falle der Kirchengebäude besonders anschaulich werden. Den Normalfall eines liechtensteinischen Kirchengebäudes, verstanden als ein frei stehendes Gotteshaus der römisch-katholischen Kirche, bilden die Pfarrkirchen sowie einige Kapellen, von denen beiden zusammengenommen es in Liechtenstein heute rund 25 Stück gibt.
Eine Untersuchung der Rechtslage der liechtensteinischen Kirchengebäude muss die Praxis im Umgang mit denselben berücksichtigen, weil die Lösung von Fällen oftmals mehr praktischen Umständen als rechtlichen Vorgaben folgt. Die in der Studie dokumentierten Fälle aus Liechtenstein belegen dies. Sie weisen in der Sache ein überaus breites Spektrum auf, das vom unerlaubten Drehen eines Filmes in der Pfarrkirche über die geplante Entfernung eines Zelebrationsaltares bis hin zum einseitig von der Gemeinde erlassenen Kirchenbenutzungsreglement reicht.
Die Perspektiven der liechtensteinischen Kirchengebäude angesichts der seit langem debattierten, zurzeit aber stockenden Entflechtung von Kirche und Staat zeigt am eindrücklichsten der Entwurf des Konkordates zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl. Zu regeln werden de lege ferenda vor allem das grundbücherliche Eigentum, die Nutzung, der Unterhalt und der Umbau von Kirchengebäuden sein, wozu unter anderem Art. 19 des Entwurfs eine detaillierte Bestimmung enthält.
Aus systematischer Sicht kann bei Rechtsfragen im Zusammenhang mit liechtensteinischen Kirchengebäuden für eine erste Orientierung die Faustregel der «4 E» aufgestellt werden: Es fragt sich stets im konkreten (1) Einzelfall, wer das (2) Eigentum oder vergleichbare, stärkere Rechte innehat und welche besonderen, nicht selten Jahrhunderte zurückreichenden (3) Erlasse oder anderweitigen Rechtsgrundlagen heranzuziehen sind, wobei sowohl Lösung als auch Lösungsweg – wie auch immer sie rechtlich und praktisch ausfallen mögen – stets dem verfassungsmässigen Prinzip des (4) Einvernehmens zwischen Staat und Kirche zu genügen haben.