Sektion am 54. Deutschen Historikertag
Im Rahmen des Konferenzthemas «Fragile Fakten» befasste sich die Sektion «Fakten zwischen historischer Forschung und Vergangenheitsaufarbeitung: ‹commissioned history› und Wissensproduktion für die und mit der Öffentlichkeit» mit dem grundlegenden Spannungsverhältnis, das entsteht, wenn staatliche oder nicht staatliche Akteure historisches Unrecht durch eigens gebildete Kommissionen oder durch Auftragsstudien untersuchen lassen. Einerseits produzieren die Kommissionen und die mit entsprechenden Aufarbeitungsprojekten beauftragten Historikerinnen und Historiker Wissen über die Vergangenheit mit einem wissenschaftlichen Objektivitätsanspruch. Andererseits integrieren die Kommissionen und Projekte in der Regel Betroffene in ihre Arbeit, indem diese im Rahmen der Untersuchungen Zeugnis ablegen können. Die Erinnerungen an die gemachten Erfahrungen und die mit den Aussagen verknüpften Erwartungen derer, die Zeugnis ablegen, sind nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen mit den Ansprüchen der Kommissionen und Forschenden, Fakten über das Vergangene zu etablieren.
Die Sektion erörterte an Beispielen verschiedener Typen von «commissioned history», wie Kommissionen und Forschungsprojekte mit dieser Spannung umgegangen sind: Wahrheitskommissionen zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen (Stephan Scheuzger), die Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages zu Geschichte und Folgen der SED-Diktatur (Annette Weinke), Unabhängige Expertenkommissionen am Beispiel der Schweizer UEK Administrative Versorgungen (Dr. Loretta Seglias) und geschichtswissenschaftliche Untersuchungen zum sexuellen Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche am Beispiel der Studie zum Bistum Münster (Prof. Dr. Klaus Große Kracht). Die Beiträge wurden von PD Dr. Sonja Matter kommentiert und vom Publikum angeregt diskutiert.
https://www.historikertag.de/Leipzig2023/
Sektionsbericht, H-Soz-Kult, 20. Januar 2024