Beitrag im Cambridge Yearbook of European Legal Studies veröffentlicht
Nach der Finanzkrise 2008 hat die Europäische Union (EU) nicht nur ihre umfangreiche Gesetzgebung betreffend die Finanzdienstleistungen verschärft, sondern auch ein robustes und einheitliches Finanzmarktaufsichtssystem aufgebaut. Insbesondere wurden zentrale Aufsichtsbehörden geschaffen. Diese erhielten weitreichende Kompetenzen im Hinblick auf die Ablösung dysfunktionaler nationaler Behörden oder Akteure im Finanzdienstleistungssektor.
Die drei Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), welche dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angehören – Island, Liechtenstein und Norwegen –, nehmen durch ihre Mitgliedschaft im EWR am EU-Binnenmarkt teil. Um weiterhin gleichberechtigt am Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen teilnehmen zu können und ihrer Pflicht zur Wahrung der Homogenität nachzukommen, mussten die EWR/EFTA-Staaten auch den neuen institutionellen Aufbau der Finanzdienstleistungsaufsicht übernehmen. Diese Verpflichtung, insbesondere in Bezug auf bestimmte Eingriffsbefugnisse der neuen Aufsichtsbehörden, kollidierte jedoch mit einigen verfassungsrechtlichen Vorbehalten, vor allem der beiden nordischen EWR/EFTA-Staaten.
In seinem Beitrag zeigt Georges Baur auf, wie diese widersprüchlichen Ziele zu einem System zusammengeführt werden konnten, welches einerseits das einheitliche Gesamtkonzept gewährleistet, das für eine verstärkte Überwachung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen erforderlich ist, und andererseits bestimmte verfassungsrechtliche Vorbehalte der EWR/EFTA-Staaten wahrt. Die Beteiligung der EWR/EFTA-Staaten an der europäischen Finanzaufsichtsstruktur wird am Beispiel der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) aufgezeigt. Ausserdem wird untersucht, wie Drittstaaten, die nicht oder nicht vollständig am Binnenmarkt teilnehmen, wie das Vereinigte Königreich und die Schweiz, in diesem Zusammenhang von der EU behandelt werden.