Referentin
Ina Friedmann, Senior Scientist am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck mit Forschungsschwerpunkten zur Medizin und Wissenschaft im Nationalsozialismus sowie zum Umgang mit ‹normabweichendem› Verhalten im 20. Jahrhundert
Zum Vortrag
In Österreich war mit dem § 129 Ib des Strafgesetzes «Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts» bis 1971 kriminalisiert. Die strafrechtliche Verfolgungsintensität variierte allerdings in den unterschiedlichen politischen Regimen des 20. Jahrhunderts, und sie variierte auch hinsichtlich der Geschlechter: Obwohl auch gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Frauen unter Strafe stand, galt die zentrale Aufmerksamkeit homosexuellen Männern. Ausgangspunkt für den Vortrag sind Ina Friedmanns aktuelle Forschungen zur Verfolgung gleichgeschlechtlich begehrender Menschen in Tirol und Vorarlberg im Nationalsozialismus: Neben der grundlegenden Beleuchtung der rechtlichen Situation in der Zwischenkriegszeit, der strafrechtlichen Verschärfungen zwischen 1938 und 1945 sowie der Handhabung des Delikts in der Nachkriegszeit, liegt der Fokus auf der Umsetzung der Strafverfolgung im benachbarten Vorarlberg. Wie viele Menschen waren betroffen? Wie sind sie in den Blick der Behörden geraten? Was geschah mit ihnen? Wie haben sich eine oder mehrere gerichtliche Verurteilungen auf ihr weiteres Leben ausgewirkt? Biografische Beispiele erlauben Einblicke in die Vielfalt von Lebensentwürfen, Selbstwahrnehmungen und Handlungsstrategien bei juristischer Aufmerksamkeit und stellen die verfolgten Menschen als Individuen in den Mittelpunkt – etwas, das angesichts der Arbeit mit Akten der Strafverfolgungsbehörden nicht zu kurz kommen darf.
Zur Vortragsreihe
Die aus drei Abenden bestehende Vortragsreihe widmet sich der strafrechtlichen Verfolgung sowie der sonstigen Diskriminierung von Homosexuellen in Liechtenstein und im benachbarten Ausland aus zeitgeschichtlicher Perspektive. Während sich der erste Abend dem einschlägigen Kapitel der liechtensteinischen Justizgeschichte widmet, wird am zweiten Abend das Projekt des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZFG) der Universität Bern zur Diskriminierung von Homosexuellen in der Schweizer Armee zwischen 1942 und 2020 vorgestellt. Der dritte Abend präsentiert Forschungsergebnisse zur Verfolgung homosexueller Menschen im Nationalsozialismus im Gau Tirol-Vorarlberg mit einem Blick auf die Zwischen- und Nachkriegszeit.
Eintritt frei, keine Anmeldung erforderlich. Im Anschluss sind die Anwesenden zu einem kleinen Apéro eingeladen.