Hoch, Hilmar (2021): Verfassungsgerichtsbarkeit im Kleinstaat – das Beispiel Liechtenstein. In: Zeitschrift für öffentliches Recht (ZöR), 76 (2021), Heft 4, S. 1219–1240.

Erscheinungsjahr:
2021

Abstract
Am Beispiel Liechtensteins wird aufgezeigt, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit wie das gesamte Rechtswesen von der für den Kleinstaat typischen Ressourcenknappheit und – als Reaktion darauf – von der Offenheit gegenüber fremdem Recht geprägt ist. Die Ressourcenknappheit zeigt sich in Bezug auf geeignete Richter*innen, aber auch beim kleinen Mitarbeiterstab und der beschränkten verfassungsrechtlichen Forschung. Dieser Ressourcenknappheit wird durch eine weitgehende Rechtsrezeption aus Österreich und der Schweiz und eine stark rechtsvergleichende Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes sowie dadurch, dass dem Staatsgerichtshof traditionell auch Richter*innen aus den beiden Nachbarstaaten angehören, entgegengewirkt.

Die liechtensteinische Verfassungsgerichtsbarkeit wurde zwar weitgehend aus Österreich und der Schweiz rezipiert. Die aus der Kombination der beiden Rezeptionsvorlagen resultierende umfassende Prüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes war dann aber eine eigentliche Pioniertat und große rechtsstaatliche Errungenschaft, die von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit von Anfang an anerkannt wurde. Trotz punktueller Kritik des Fürsten und der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat sich die Verfassungsgerichtsbarkeit in Liechtenstein bewährt.

The example of Liechtenstein shows that, like the entire legal system, constitutional jurisdiction is characterized by the scarcity of resources typical of a small state and, as a reaction to this, by openness to foreign law. The resource scarcity exists in terms of suitable justices, but also in terms of the small staff and limited constitutional law research. This scarcity of resources is counteracted by an extensive adoption of law from Austria and Switzerland and a strong comparative jurisprudence of the Constitutional Court; as well as by the fact that the Constitutional Court traditionally includes justices from the two neighboring countries.

Although Liechtenstein’s constitutional jurisdiction was largely adopted from Austria and Switzerland, the comprehensive review competence of the Constitutional Court, which resulted from the combination of the two reception templates, was a pioneering act and a great achievement in terms of the rule of law. This was recognized by academia, politics and the public from the beginning. Despite selective criticism from the Prince and the ordinary courts, the Constitutional jurisdiction in Liechtenstein has proven its worth.

https://doi.org/10.33196/zoer202104121901