Abstract
Diese Untersuchung geht zurück auf ein Referat an einem Seminar der Universität Innsbruck zum liechtensteinischen Verfassungsjubiläum. Sie beginnt mit einer Klärung des Begriffs „europäischer Verfassungsverbund“. Er steht in einem engen Zusammenhang mit dem Integrationsprozess in der Europäischen Union. Für den EWR/EFTA-Staat Liechtenstein, der nicht Mitglied der EU ist, wirft dies Fragen auf. Wie sich zeigt, weisen die Begriffe „Verfassungsverbund“ und „Werteverbund“ eine grosse Nähe auf. Als Wertegemeinschaft wird nicht nur die EU bezeichnet, sondern auch der Europarat, dem Liechtenstein 1978 beitrat. Bezüglich der zentralen Werte Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verweisen Organe der EU auf Dokumente des Europarates und umgekehrt.
Um beantworten zu können, ob sich Liechtenstein in das Wertesystem Europas einfügt, erfolgen Ausführungen zur Rechtsstaatlichkeit und zur Demokratie. Es folgen vor allem Hinweise zu den von der Europäischen Kommission in ihre Berichte über die Rechtsstaatlichkeit aufgenommenen Prüfkriterien Medienpluralismus und Medienfreiheit. Sie sind – wie vom Europarat schon seit langem ausgeführt – wichtige Säulen der Demokratie. In Liechtenstein wurde ihnen von Seiten Rechtswissenschaft bisher wenig Beachtung geschenkt, obwohl sich das Land als Klein(st)staat bezüglich Rundfunk und Printmedien in einer besonderen Situation befindet. In der Verfassung werden die Medien mit keiner Silbe erwähnt. Umso wichtiger sind die Vorgaben von Europarat und EWR, zum Beispiel dass Informationen auch für Menschen mit Beeinträchtigungen zugänglich sein müssen. Massgebend für Liechtenstein sind die europarechtlichen Vorgaben zur Offenlegung der Eigentümerschaft und für die Ausgestaltung der Regulierungsbehörden. Eine grosse Bedeutung kommt auch der Medienförderung zu. Sie fair auszugestalten, ist nicht ganz einfach.
Spezifisch ist auch Liechtensteins Staatsform, die in Art. 2 LV verankerte konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage. Der Beitrag geht deshalb auf Spannungen zwischen dem Demokratieprinzip und den Kompetenzen des Landesfürsten ein. Näher analysiert werden das Sanktionsrecht (Art. 9 LV), die Richterernennung (Art. 96 LV) sowie die Initiative auf Abschaffung der Monarchie (Art. 113 LV) und ihre Auswirkungen.
Abgeschlossen wird die Untersuchung mit Bemerkungen zu der mit dem Begriff „europäischer Verfassungsverbund“ aufgeworfenen Frage, ob das liechtensteinische Verfassungsrecht auf die europäische Ebene auszustrahlen vermag.